Über die potenziellen Online-Tools von Politik wird zur Zeit zu Recht viel geschrieben (gesprochen); dies ist notwendig, da wir erst am Anfang einer Weiterentwicklung der klassischen politischen Prozesse stehen, die durch die Ressourcen des Netzes ermöglicht wird. Die in diesen Tagen heftig kritisierte Internet-Enquete und der auf netzpolitik.org ausführlich geschilderte Ablauf der letzten Sitzung machen deutlich, dass noch ein langer Weg zu gehen ist, bis sich Politik der Realität des Netzes stellt.
Hierbei wird gerade durch manche politischen Akteur gemeinsam mit einem Teil der Medien gern immer wieder auf die Gefahren hingewiesen, die durch das Netz ausgehen – Facebook-Partys, Wutbürger, Flash-Mobs und Datenraub werden gern immer wieder schnell genannt (wenngleich es natürlich auch positive Gegenbeispiele in der Berichterstattung gibt). Dabei wird man dann nicht müde zu betonen, dass der direkt (Offline-) Kontakt zwischen Bürgern und Politik eigentlich das Wichtigste sei. Dies könne den flüchtigen Online-Kontakt nicht ersetzen.
Hier kann Abhilfe geschaffen werden; wieder mal kommt diese politische Innovation aus Schweden. Es handelt sich dabei um die sogenannte Almedalsveckan, die seit rund 40 Jahren auf der schwedischen Insel Gotland veranstaltet wird. Worum geht es?
Es handelt sich hierbei um eine jährlich stattfindende sogenannte Politische Woche in der Stadt Visby. Politiker aller wichtigen Parteien kommen für eine Woche zusammen, um mit den Bürgern über Politik zu diskutieren. Dabei ist jeder Tag einer anderen Partei gewidmet, so dass von Tag zu Tag eine Weiterentwicklung des Diskurses in Folge der Reden der Parteivorsitzenden stattfindet. Begleitend veranstalten Unternehmen und Interessenorganisationen Seminare und Workshops für die teilnehmenden Bürger. Der Ursprung dieser Veranstaltung findet sich in einer Rede auf der Ladefläche eines LKWs, die der damalige schwedische Bildungsminister Olof Palme im Jahre 1968 in der Stadt Visby gehalten hat. Seit 1981 nehmen alle relevanten Parteien an der Veranstaltung teil.
Die Veranstaltungen und Reden der Parteivorsitzenden werden online durch Blogger, traditionelle Medien, Wissenschaftler und ebenso die sachpolitischen Experten der jeweils anderen Parteien ausführlich kommentiert. Es findet demnach ein landesweiter dezentraler Diskurs selbst über die Zukunft so mancher Partei statt. Welch Gegensatz zum Vorgehen hierzulande, für die Reform einer Parteistruktur McKinsey um Rat zu fragen….
Foto: http://www.flickr.com/photos/fores_se/ CC BY 2.0 |
Im Jahre 2010 (aktuelle Zahlen aus diesem Jahr liegen noch nicht vor) wurden 1.400 Workshops veranstaltet, es gab 11.000 verschiedene Teilnehmer und 900 akkreditierte Journalisten. Auf der entsprechenden Website finden sich vorbildlich strukturierte Informationen für die verschiedenen Zielgruppen der Veranstaltung. Die Politische Woche richtet sich eher an eine schwedische Zielgruppe. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von 9 Mio. Einwohnern sind diese Teilnehmerzahlen umso beeindruckender (zumal die Insel Gotland nicht so einfach zu erreichen ist). Das umfangreiche Programmbuch gibt einen Einblick in den thematischen Umfang der Workshops, die sowohl kommunale wie auch globale Fragestellungen beinhalten.
Der Kontakt zum Bürger kann also sowohl off- wie auch online ganz leicht gestaltet werden. Vielleicht ist es mal wieder an der Zeit, nach Elterngeld und Riester-Rente eine politische Innovation aus dem Norden zu übernehmen…
Foto: http://www.flickr.com/photos/fores_se/ CC BY 2.0 |