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Moderne Mobilität braucht offene Daten

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Ein Interview mit Anna Kress, Ruppert Stüwe, Alexander Rühl, die alle bei der Stiftung Neue Verantwortung am Thema urbane Mobilität arbeiten und ein Manifest dazu veröffentlicht haben.

Wer seid ihr und womit beschäftigt ihr euch?

Wir haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Anna kommt aus der Wissenschaft, Alexander aus der Wirtschaft und Ruppert aus der Verwaltung. Seit Herbst letzten Jahres arbeiten wir als Associates der Stiftung Neue Verantwortung gemeinsam an dem Thema intelligente urbane Mobilität. Herausgekommen ist unter andem die Erkenntnis, dass gerade in Bereich der Mobilität offene Daten uns einen wichtigen Schritt weiter bringen können und vieles einfacher machen würden.

Was ist euer Ziel in der Auseinandersetzung mit urbaner Mobilität?

Schneller, bequemer und umweltfreundlicher, das sind die drei Schlagworte, mit denen man unser Ziel beschreiben kann. Wir glauben, dass es sowohl bei den Daten als auch bei Verkehrsträgern und Geschäftsmodellen gerade einen Umbruch gibt. Die Diskussion um Elektromobilität alleine ist gar nicht so interessant. Aber wenn wir sie mit der Idee einer Vernetzung von öffentlichem und individuellen Verkehr zusammenbringen, ermöglicht durch offene Daten, Webanwendungen und Smartphone-Apps, dann kann sich einiges verändern. Erste Vorschläge dazu haben wir Anfang des Jahres in einem Whitepaper zur Mobilität in Berlin auf den Tisch gelegt; jetzt sind wir gerade dabei, unsere Thesen zu verfeinern.


Ihr habt ein Manifest für Mobilität und offene Daten entwickelt. Worum geht es euch dabei?

Offene Daten im Verkehrsbereich sind in Deutschland immer noch ein Tabu. Auf Feldern, in denen es um personenbezogende Daten und um Datenschutz geht, könnte man das noch verstehen. Aber Echtzeitdaten zur Verkehrssituation und zu Bussen und Bahnen sind schon längst vorhanden, nur behalten sie die Verkehrsunternehmen für sich selbst. Gerade dieser Bereich ist einer, in dem offene Daten schnell und unkompliziert zu Verbesserungen führen, wie man etwa am Beispiel USA sieht. Durch das Manifest wollen wir dazu einen Anstoß geben. Ein Manifest soll immer der Anfang einer Bewegung sein – wir hoffen natürlich auch, dass sich viele unseren Forderungen anschließen, und wir gemeinsam etwas bewegen können. Und das Manifest selbst ist als offenes Manifest konzipiert. Auf unserem Wiki kann jeder mithelfen, es noch besser zu machen.

Wie wird die Mobilität in Städten durch offene Daten verbessert?
Die Nutzer werden angeregt, selbst Ideen zu entwickeln und umzusetzen. In den USA sind das z.B. konfigurierbare Internetseiten, SMS-Alerts oder Smartphone-Apps für den ÖPNV, welche die bereitgestellten Daten intelligent und angepasst an die vielen individuellen Bedüfnisse verknüpfen. So werden etwa die Entscheidungen zur Verkehrsmittelwahl einfacher. Wenn ich auf dem Mobiltelefon in Echtzeit nachschauen kann, ob und wann genau mein Bus kommt, wird der ÖPNV benutzerfreundlicher und attraktiver. Oder wenn ich schon vor dem Einsteigen ins Auto sehen kann, wie die aktuelle Verkehrssituation ist und dann vielleicht doch spontan auf die U-Bahn ausweiche. Ein Routenplaner, der vor Unfallschwerpunkten für Radfahrer warnt, ist ein weiteres Beispiel. Auch eine Echtzeit-App für Park&Ride-Nutzer wäre ein echter Gewinn.
Und offene Daten haben nicht nur einen direkt anwendbaren Nutzen, sie können auch Diskussionen anregen, indem sie bestimmte Sachverhalte transparent machen. Unfallschwerpunkte sind da wiederum ein Beispiel, oder auch die Lärmbelastung in der Stadt.


Wo seht ihr den größten Handlungsbedarf im Bereich offene Mobilitätsdaten, es gibt doch schon DELFI?

DELFI, die deutschlandweite Fahrplanauskunft, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das System verbindet bundesweit die regionalen Fahrplanauskunftssysteme. Dafür wurden in DELFI einheitliche Schnittstellen geschaffen. Allerdings ist DELFI nur für den Austausch der Fahrplandaten unter den Transportunternehmen selbst gedacht. Öffentliche Schnittstellen, wie sie zu Open Data gehören, werden nicht angeboten. Technisch ist es zwar auch für Dritte möglich, über DELFI die Fahrplandaten auszulesen, man bewegt sich dann aber in einem rechtlich schwierigen Bereich, was das Urheber- oder das Datenbankrecht angeht. Es ist aber für Programmierer wichtig zu wissen, dass sie die Daten offiziell verwenden dürfen. Zudem ist DELFI nicht dazu gedacht, andere Daten als Fahrpläne auszulesen, die ebenfalls interessant sein können, z.B. Daten zu einem Bushaltestellennetz. Es sind also noch viele Baustellen offen: sowohl was den Umfang der verfügbaren Daten in maschinenlesbaren Formaten angeht, als auch klare Nutzungsbedingungen.

Welche guten Beispiele für den Einsatz offener Daten zur Verbesserung der Mobilität sind euch in Deutschland und im Ausland bekannt?
Wie gesagt gibt es zur Zeit in Deutschland keine offenen Daten und APIs im Bereich Mobilität, welche den strengen Kriterien der Open Government Data Prinzipien entsprechen würden. Aber es tut sich langsam etwas. Zum Beispiel ermöglicht der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg seit kurzem das Abfragen von Fahrtverbindungen. Für den Zugriff ist allerdings eine Anmeldung erforderlich. Ein anderes herausragendes Projekt ist Wheelmap.org, wo man auf einer Karte rollstuhlgerechte Orte finden und eintragen kann. Dazu gehört natürlich auch ein rollstuhlgerechter ÖPNV und z.B. Daten, wo (funktionierende) Fahrstühle vorhanden sind. Solche Anwendungen müssen sich zur Zeit aber verschiedener Behelfsansätze bedienen, um an die Daten heran zu kommen. Häufig müssen die Daten „per Hand“ eingesammelt werden. Offene Daten und APIs würden vieles einfacher machen. Ein gutes Beispiel aus den USA sind die Verkehrsbetriebe von Chicago. Diese unterhalten ein eigenes Developer Center, um externe Entwickler zu unterstüzten.
Weitere Beispiele sammeln wir auf http://www.opendata-for-mobility.org/. Dort ist jeder eingeladen, eigene Beispiele einzustellen. Wir denke, nichts ist überzeugender für Open Data, als erfolgreiche Beispiele und Ideenanregungen.


Eine Frage in Richtung Verantwortlichkeit und Zuständigkeit: Mobilität ist die Aufgabe vieler, nicht nur des Staats. Welche Strategie kann es geben, die vielen dezentralen Anbieter einzubinden?

Es ist tatsächlich so, dass gerade die Einbindung von dezentralen Anbietern sehr viel Potential hat. Wir denken, dass zu einer solchen Strategie zum einen Öffentlichkeitsarbeit gehört, um (auch private) Mobilitätsanbieter von den Vorteilen von offener Innovation und offenen Daten zu überzeugen. Die Vernetzung mit anderen Anbietern über offene Daten kann durchaus zu mehr Kunden führen. Eine offene Mobilitätskarte als Zahlungsmittel, an die sich Dienste leicht anbinden können, fördert eine solche Vernetzung zusätzlich. Weitere Bausteine sind die Einführung von gemeinsamen Datenformaten und eine zentrale Plattform für Daten, APIs und Anwendungen, über welche sich die Anbieter und Nutzer leichter finden können. Außerdem können bei öffentlichen Ausschreibungen für Mobilitätsdienstleistungen Klauseln eingefügt werden, welche die Bereitstellung von offenen Daten verpflichtend machen.

All diese Maßnahmen können von jeweils anderen Akteuren angestoßen werden, so wie Mobilität eben Aufgabe vieler ist: Es können Entwickler und private Akteure sein, die mehr Werbung für offene Daten machen. Die Einführung einer offenen Mobilitätskarte kann durch Verkehrsverbünde gefördert werden. Bei öffentlichen Ausschreibungen ist die öffentliche Hand gefragt.


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